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wachsen zu noch höheren Gewi t terwolken
(Kumulonimbus) und wenn sich ihre oberste Schicht
zu einer Form auszudehnen beginnt, die am meisten
einem Hufeisen ähnelt, können wir sicher sein, dass
aus dieser Wolke ein Unwetter auf das Meer
niedergehen wird. (Einige vergleichen dieses Hufeisen
mit demgrauen Bart eines altenMannes).
Vor demEintreffen des ersten Ansturms von Regen und
Wind, herrscht auf dem Meer völlige Stille. Die
sommer l ichen Unwet ter werden von einer
ausgeprägten Schwüle begleitet. Vor den Windstößen,
deren Ursache das Unwetter ist, bläst für gewöhnlich
eines leichtes Lüftchen aus entgegengesetzter
Richtung, das meist vom Festland kommt und oft den
Duft der Kiefernwälder mit sich bringt. All dies
geschieht nicht plötzlich, da aber die Unwetter
meistens in den Nachmittagsstunden und am
Vorabend auftreten, genügt ein Blick nachWesten, um
ein kommendes Unwetter vorherzusehen.
Das Wichtigste: ein Unwetter ist Bestandteil der
Schifffahrt und man sollte davor nicht die Flucht
ergreifen. Im übrigen zeigt die Geschwindigkeit, mit
der ein Unwetter vorankommt, dass es davor kein
Entfliehen gibt.
Die heutigen Schiffe und Boote sind von solcher
Beschaffenheit, dass uns ein Unwetter, wie es in der
Kvarner-Bucht auftritt, und das meist nur zwischen 20
und dreißig Minuten anhält, nicht gefährden kann.
Natürlich außer in jenen Fällen, wo wir schwere Fehler
begehen.
Zum Beispiel: wir sind ausgelaufen, ohne vorher die
Wetterprognose gehört zu haben. Falls wir uns bei
einer Unwetterprognose in einer Marina befinden oder
das Boot sicher vertäut oder verankert ist, ist es besser,
zuzuwarten, bis das Unwetter vorübergezogen ist und
anschließend zu sehen, wie der weitere Wetterverlauf
ist.
Man muss gut prüfen, ob die Bucht, in der wir vor
Anker sind, eine sichere Zuflucht vor einem Unwetter
bietet. In der Regel sind gegen Westen geöffnete
Ankerplätze unsicher. In diesem Fall werfen Sie
keinesfalls einen weiteren Anker aus. Irgendwelche
Zweifel an der Sicherheit des Ortes, wo Sie vor Anker
sind, müssen Sie zum Auslaufen veranlassen. Falls Sie
sich nach dem nächsten Schritt fragen, nachdem Sie
sich entschlossen haben, einen zweiten Anker
auszuwerfen: ein dritter Anker ? Nein, der nächste
Schritt ist das Verlassen des Schiffes, um dann voller
Angst vom Land aus beobachten, was mit dem Schiff
geschehen wird. Wenn Sie aber nur einen einzigen
Anker ausgeworfen haben, sollten Sie prüfen, ob Sie
ihn ohne Probleme hieven können oder aber ein
scharfes Messer vorbereiten. Sie müssen immer zum
Auslaufen bereit sein.
Ein anderes Beispiel: wenn wir bereits in der
Überzeugung ausgelaufen sind, dass uns ein Unwetter
nichts anhaben kann und wir nach einiger Zeit sehen,
wie der schwarze Himmel bereits bis zum Meer reicht,
dürfen wir nicht umkehren, ohne Rücksicht darauf,
wie geängstigt wir jetzt sind. Manmuss sich so weit wie
möglich vom Festland oder von der Küste entfernt
halten, denn bei einemUnwetter stellt das Festland die
einzige Gefahr dar. Wenn wir aus Angst umkehren, um
mit voller Kraft des Motors das Festland zu erreichen,
wird uns meistens der erste, heftigste Windstoß
unmittelbar vor der Einfahrt in das Refugium
erfassen. Da wir aber nicht allein sein werden (viele
werden versuchen vor dem Unwetter zu flüchten, vor
allem die Besitzer von Motorbooten, die sich auf die
Geschwindigkeit und Kraft ihrer Motoren verlassen),
kann allerlei passieren. Hier sollte man sich nicht auf
die Unerfahrenheit ausreden, da es viel mehr
Erfahrung bedarf, in diesem Gedränge mit dem Boot
zu manövrieren. Alle werden versuchen, buchstäblich
"irgendwo" anzulegen, so dass es bei weitem sicherer
ist, auf demoffenenMeer zu bleiben.
Ein drittes Beispiel: falls wir doch den Rat befolgt
haben und auf dem Meer geblieben sind, müssen die
Segler die Segel hissen. Die alten Seeleute sagten, dass
man bei Unwetter die Segel einziehen müsse, jedoch
hatten sie eine andere Takelage und andere Segel. Wir
raten Ihnen, einen Teil des Hauptsegels zu hissen, den
zweiten oder dritten Arm, um damit das erste
Anstürmen des Windes zu erwarten.
Vierter Fehler: lassen Sie nicht denMotor an.
Alle angeführten Fehler erfolgen aus Angst. Die Angst
gehört ebenso wie ein Unwetter zur Schifffahrt und
man braucht sich dessen nicht zu schämen. Für die
erfahreneren Schiffer ist die Angst nur eine Warnung,
dass etwas getan werden muss. Und das Einzige was
getan werden muss, ist, das Schiff für ein Unwetter
vorzubereiten.
Zunächst hissen wir also das Segel. Das Hauptsegel,
oder aber, wenn wir in die Richtung der Bewegung des
Unwetters fahren wollen, das Sturm-Focksegel. Auf
dem Segel muss man die Leisten überprüfen und das